Gibt es Medikamente gegen Alkoholsucht?
Grundsätzlich existieren mehrere Medikamente, die gegen eine Alkoholsucht eingesetzt werden. Allerdings handelt es sich ganz überwiegend nicht um Präparate, die von Hause als Tabletten gegen Alkohol entwickelt worden sind. Vielmehr sind es Mittel, die ursprünglich einem anderen Zweck dienten. Durch Versuche hat sich jedoch gezeigt, dass diese auch die Behandlung einer Alkoholsucht unterstützen können. Keines der Medikamente gegen Alkohol ist rezeptfrei zu erhalten. Sie alle unterliegen in Deutschland der Verschreibungspflicht, da sie intensive Wirkungen auf den Körper besitzen. Es kann zudem zu Kreuzreaktionen kommen, wenn weitere Medikamente zeitgleich eingenommen werden (müssen). Das wichtigste Gebot für Anti-Alkohol-Tabletten lautet deshalb immer: Sie werden ärztlich verschrieben und für die Dauer der Einnahme sind regelmäßige Kontrollen durch medizinische Fachpersonal zwingend notwendig.
Sind Medikamente gegen Alkoholsucht hilfreich?
Die zentrale Frage, die sich durch die Erläuterungen des vorherigen Absatzes ergibt, ist: Sind Medikamente gegen Alkoholsucht hilfreich? Oder ist es eigentlich nicht sinnvoll, sie einzunehmen, da es zu Risiken und Nebenwirkungen kommen kann? Die entsprechenden Gefahren sind in jedem Fall nicht von der Hand zu weisen. Wir stellen diese deshalb weiter unten im Detail vor. Die offizielle Einschätzung, die in Deutschland Gültigkeit besitzt, ist in der einschlägigen S3-Leitlinie zu finden, die von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e.V. (DG-SUCHT) verfasst wurde. Die aktuelle Fassung datiert vom 1. Januar 2021. Sie empfiehlt die Pharmakotherapie (d. h.: Einsatz von Medikamenten) in den folgenden Fällen als hilfreich bzw. rät zu einer Ablehnung:
- Hilfe beim Entzug: Die medikamentengestützte Therapie ist demnach „einer Nichtbehandlung bezüglich der Schwere und der Häufigkeit der auftretenden Entzugssymptome überlegen“. Die Pharmakotherapie soll deshalb erfolgen.
- Eine Einschränkung setzt die Leitlinie für „leichte Alkoholentzugssyndrome“. Anti-Alkohol-Tabletten können dann gegeben werden, müssen es aber nicht.
- Alkohol selbst darf nicht als Medikament eingesetzt werden.
- Die Verwendung von Präparaten mit prokonvulsiven und anticholinergen Wirkungen sollen nicht genutzt werden.
- Keinen Einsatz sollen ebenfalls niederpotente Antipsychotika und tryzyklische Antidepressiva finden.
Bemerkenswert ist, dass keines der Medikamente gegen Alkohol mit Ausnahme von Benzodiazepinen den höchsten Empfehlungsgrad („A“) der Autoren erhält, obwohl der pharmakotherapeutische Ansatz durchaus auf die entsprechende Weise empfohlen wird. Hierfür existiert allerdings eine einfache Erklärung: Bei einigen Tabletten gegen Alkohol ist die exakte Wirkungsweise noch immer nicht bekannt. Dies bedeutet, dass wir über Studien eine relativ gute Vorstellung davon haben, dass die Medikamente helfen können. Wir wissen aber nicht, was exakt passiert.
Wissenschaftlich ist dies durchaus problematisch. Ziel sollte es schließlich sein, vor einer Einsatzempfehlung möglichst alles über ein Medikament zu wissen. Für Tabletten gegen Alkohol kommen deshalb vermehrt Meta-Studien zum Einsatz. Vereinfacht gesagt handelt es sich um Studien über Studien. Experten werten möglichst viele klinische Untersuchungen zum Einsatz bestimmter Präparate aus und führen dazu in einer geschlossenen Analyse zusammen. Die meisten hier dargestellten Erkenntnisse beruhen auf solchen Meta-Studien.
Welche Medikamente werden bei einer Therapie genutzt?
Medikamente gegen Alkoholsucht lassen sich prinzipiell drei unterschiedlichen Gruppen zuordnen, die wir näher beleuchten: Anti-Craving-Mittel, Tabletten zur Behandlung der Begleitsymptome und Medikamente zur Manipulation der Körperreaktion auf Alkohol. Aus Gründen der Verständlichkeit führen wir die Varianten hier einzeln getrennt aus. Dies ist aber faktisch nicht durchgängig gegeben. „Craving“ ist beispielsweise eine (wenn nicht sogar die zentrale) Begleiterscheinung der Alkoholsucht. Die entsprechenden Mittel sind deshalb eigentlich ebenfalls Teil der Tabletten gegen Alkoholsucht-Begleitsymptome.
Anti-Alkohol-Tabletten gegen die Begleitsymptome der Alkoholsucht
Die Alkoholsucht kann verschiedene Begleitsymptome ausprägen. Beispielsweise setzen Betroffene Glückshormone frei, die trinken. Ziel ist in solchen Momenten nicht mehr das Trinken selbst, sondern das Erlangen des Rausches. Im Entzug sind Schlaflosigkeit, Krampfanfälle, Übelkeit, depressive Verstimmungen oder auch emotionale Ausbrüche typische Begleiterscheinungen. Medikamente gegen Alkohol richten sich in diesen Momenten nicht gegen die Substanz, sondern werden aufgrund der vorliegenden Symptomatik gegeben. Beispielsweise lösen sie Krämpfe oder beruhigen.
Anti-Craving-Medikamente: Tabletten unterdrücken das Verlangen nach Alkohol
Sucht äußert sich durch ein Verlangen, das alle anderen Wünsche in den Hintergrund treten lässt. Die Psyche und der Körper scheinen gleichermaßen nach der Zuführung eines bestimmten Stoffes zu „schreien“. Diese Form des extremen Verlangens wird mit der englischen Vokabel „Craving“ umschrieben. Grundsätzlich tritt es auf, wenn der Körper einen Nährstoffmangel ausgleichen möchte. Schwangere Personen, die plötzlich Heißhunger auf ungewöhnliche Nahrung haben, sind hierfür ein geläufiges Beispiel. Leichte auf Sucht zurückzuführende Craving-Formen kennen die meisten Menschen aus eigener Erfahrung: Die unstillbare Lust auf Schokolade sei beispielhaft genannt. Das Verlangen nach fetthaltiger Nahrung im alkoholisierten Zustand fällt ebenfalls in den Bereich der Cravings. Im Bereich der Alkoholsucht wächst das Verlangen allerdings in einem Maße bei vielen Betroffenen so sehr an, dass es eine völlig neue Dimension gewinnt. Das Verlangen bestimmt das gesamte Denken. Diese Cravings sind faktisch chemische Prozesse, die im Körper ablaufen. Dabei werden sie über das Nervensystem übermittelt. Rezeptoren nehmen sie im Rahmen dieses Vorgangs auf und leiten sie weiter. Durch bestimmte Medikamente ist es allerdings möglich, hemmend auf diese „Empfänger“ einzuwirken. Eine Metapher soll dies bildlich erklären: Frachtcontainer (Nervenreize mit der Begierde) sollen am Hafen (Rezeptoren) entladen werden. Sind die entsprechenden Einrichtungen jedoch besetzt, können die Container nicht bearbeitet werden. Das Verlangen wird gestoppt (oder zumindest geschwächt).
Ein alter Ansatz: Tabletten machen Alkohol abstoßend
Das älteste in Deutschland zugelassene Medikament gegen Alkohol war Disulfiram (bzw. Antabus). Es war seit 1948 auf dem Markt, aber wurde 2013 endgültig aus dem Verkehr gezogen, da die Tabletten gegen Alkohol mittlerweile viel zu wenig verschrieben worden waren. Der Ansatz des Mittels ist bis heute aber durchaus noch verbreitet. Grundsätzlich hemmt Disulfiram die Tätigkeit des Enzyms Aldehyd-Dehydrogenase (ALDH), das Stoffwechselprodukte des Alkohols im Körper abbaut. Läuft alles normal, wandelt ALDH den bereits in Acetaldehyd transformierten Alkohol in Essigsäure um. Diese kann ausgeschieden werden. Wird ALDH allerdings durch Disulfiram gehemmt, so geschieht dies irreversibel. Dies bedeutet, dieser Prozess kann nicht umgekehrt werden. Die Folge ist, dass es zu einer Anhäufung von Acetaldehyd im Körper von Süchtigen kommt, die trinken. Da der Wirkstoff nicht auf normale Weise abgebaut werden kann, muss er anders ausgeschieden werden. Die Folge ist eine bewusst herbeigeführte Vergiftung. Die Flüssigkeit wird auf Wegen abgetragen, die hierfür nicht gedacht waren. Die Folgen sind starkes Unwohlsein, Rötungen der Haut, Kältegefühl in Armen und Beinen, Kopfschmerzen, ein rasant abfallender Blutdruck und Herzrasen. Bekannt wurde diese Häufig von Vergiftungssymptomen als Acetaldehydsyndrom. Die Hoffnung war (und ist bei vergleichbaren Medikamenten bis heute) die Macht der negativen Verstärkung. Das Trinken von Alkohol soll durch die Vergiftung so angsteinflößend und ekelbeladend werden, dass die süchtige Person es vorzieht, abstinent zu bleiben. Bedauerlicherweise hat eine Meta-Studie aus dem Jahr 2014 gezeigt, dass dies nicht der Fall ist. Disulfiram hatte keinen positiven Einfluss auf die dauerhafte Abstinenz. Das Medikament hat lediglich die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig reduziert.
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Klinikbewertungen.de
★★★★★★ (6/6)
Medikamente gegen Alkoholsucht: Übersicht über mögliche Präparate und ihre Wirkungen
Acomprosat
Nalmefen
Naltrexon
Baclofen
Benzodiazepin
Clomethiazol
Medikamente gegen Alkoholsucht: Diese Risiken und Nebenwirkungen bestehen
Zu berücksichtigen sind eine Vielzahl von Risiken und Nebenwirkungen beim Einsatz von Tabletten gegen Alkohol. Diese sind so umfangreich, dass ein Teil der Medizin nach wie vor generell gegen die Verwendung ist. Kritische Stimmen mahnen beispielsweise, dass Sucht-Konzepte verstärkt werden. Die Einnahme von Tabletten ersetzt lediglich das Trinken. Die dysfunktionale Überzeugung werde verstärkt, dass nur die orale Einnahme einer Substanz dem eigenen Problem helfe. Suchttherapeutische Bemühungen würden damit unterlaufen.
- Acamprosat: Verdauungsstörungen, Juckreize, Schlafstörungen, Verwirrtheit.
- Nalmefen: Aufmerksamkeitsstörungen, Sehverschlechterung, Übelkeit, Schläfrigkeit, Kopfschmerzen, Unwohlsein.
- Naltrexon: Unruhe, Nervosität, Schlafstörungen, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen in Muskeln sowie Gelenken, allgemeines Schwächeempfinden.
- Baclofen: Depression, Euphorie, Terror, Schlafprobleme, Atemprobleme, Sehstörungen.
Medikamente gegen Alkoholsucht müssen exakt eingestellt werden
Die obigen Risiken und Nebenwirkungen verdeutlichen eindrucksvoll, weshalb Medikamente gegen Alkoholsucht nur ärztlich verschrieben werden dürfen – und möglichst kurz eingenommen werden sollten. Zudem kommt bei jedem Patienten das Problem hinzu, dass die Person individuell auf Medikamente reagieren kann. Eine genaue Einstellung der eingesetzten Mittel ist zwingend. Dies kann einige Zeit in Anspruch nehmen.
Medikamente gegen Alkoholsucht im Rahmen einer umfassenden Therapie
Das sagen unsere ehemaligen Patienten
"Ein absolut überzeugendes Konzept. Das gesamte Personal, Ärzte, Krankenschwester, Therapeuten aber ebenso die „guten Geister“ des Hauses, sind äußerst freundlich und kompetent. Man fühlt sich von Beginn an sehr gut „aufgehoben“."
Minika, 57, Alkoholabhängigkeit
"Wer in dieser Entzugsklinik keinen Erfolg hat, der hat wirklich ein Problem. Ich hätte niemals gedacht, in der kurzen Zeit so ins Leben zurück zu kommen."
Christoph, 53, Alkoholabhängigkeit und Depressionen
"Wir waren 10 total unterschiedliche sich fremde Personen, die sich schon innerhalb der ersten Woche zu einem super Team entwickelt haben. Der gemeinsame Beginn und die daraus resultierende Gruppendynamik ist ein unersetzlicher Baustein dieser Therapie.."
Norbert, 51, Alkoholabhängigkeit
Medikamente gegen Alkoholsucht als Teil des Behandlungskonzepts: Der Ansatz der NESCURE®-Privatklinik
In der NESCURE®-Privatklinik haben wir uns dem Ziel verschrieben, Patienten die bestmögliche Behandlung zukommen lassen zu können. Wir vertrauen auf ganzheitliche innovative Behandlungskonzepte, die sich wissenschaftlich bewiesen haben. Wir stellen für jeden Patienten deshalb ein Behandlungsteam zusammen, das diesem durch die eigene Kompetenz bestmöglich helfen kann. So es zweckmäßig ist, vertrauen wir dabei auch auf Medikamente gegen die Alkoholsucht. Tabletten zur Beherrschung der Entzugserscheinungen sind oft Teil des Therapieplans. Wir achten dabei aber jederzeit darauf, dass die Medizin nicht zum Alkoholersatz wird – und dass die Patienten sich mit unserer Unterstützung die Werkzeuge erarbeiten können, mittel- und langfristig auch ohne ihre Hilfe auf Alkohol verzichten zu können. Bei Fragen rund um unseren Einsatz von Tabletten gegen eine Alkoholsucht sind wir gerne für Sie da. Kontaktieren Sie uns einfach.
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Therapie und Genesung in heilsamer Umgebung
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FAQ/Häufig gestellte Fragen
Welche besonderen Trinkgewohnheiten beschreiben unterschiedliche Alkoholikertypen?
- Pegeltrinker benötigen immer einen gewissen Alkoholpegel und trinken über den Tag verteilt bestimmte Mengen Alkohol.
- Rauschtrinker haben ein hohes Gefährdungspotenzial, denn sie verlieren die Kontrolle und trinken exzessiv auf einen Rausch hin. Durch den hohen Alkoholkonsum bildet sich Toleranz aus, so dass sie das Alkoholvolumen bald steigern müssen, um die euphorisierenden Effekte zu spüren.
- Konflikttrinker konsumieren Alkohol, wenn es Schwierigkeiten gibt. Damit betäuben oder verdrängen sie die Probleme kurzfristig.
- Episodische Trinker sind nicht immer leicht als Alkoholiker erkennbar. Denn sie können oft längere Zeiträume nüchtern bleiben. Naht eine „Episode“, fühlen sie den Zwang, in kurzer Zeit große Mengen Alkohol zu verkonsumieren. Der umgangssprachliche Begriff lautet „Quartalssäufer“, in der Fachsprache heißt das periodisch auftretende Krankheitsbild dieser Form des Alkoholismus Dipsomanie.
- Funktionale Trinker bleiben ebenfalls oft jahrelang unerkannt, weil sie vermögen, ihren Arbeitsalltag bzw. das Alltagsleben aufrecht zu erhalten, obwohl ihr Alkoholkonsum regelmäßig hoch ist.
Worin unterscheiden sich "kalter" und "warmer" Entzug?
- Beim kalten Entzug vom Konsum des Alkohols wird mit sofortiger Wirkung auf jeglichen Alkohol verzichtet. Der kalte Entzug bezieht sich auf die körperliche Entgiftung. Diese erfolgt im Verlauf einiger Tage, ohne medizinische Unterstützung. Tatsächlich gelingt der kalte Entzug von Alkohol einigen Festentschlossen, die ihn häufig in ihrer eigenen Wohnung durchführen. Oft scheitern sie allerdings an den Härten der auftretenden Entzugserscheinungen und halten nicht durch. In fortgeschrittenen Fällen von Alkoholismus birgt der kalte Entzug ohne fachärztliche Begleitung ein hohes Risiko aufgrund möglicherweise gefährlich entgleisender Entzugserscheinungen und ihrer Folgen.
- Der warme Entzug vom Alkohol stellt einen sanften Entzug mit Entwöhnung vom Alkoholismus unter fachärztlicher Begleitung und mithilfe medikamentöser Unterstützung dar. Das bewirkt eine Reduktion der Entzugssymptomatik. Zudem erhält der Patient nach Bedarf professionellen psychologischen Beistand und kann sich aufgefangen fühlen. Der warme Entzug kann ambulant oder stationär durchgeführt werden und dauert mehrere Wochen. Er umfasst neben der Entgiftung bereits den Beginn der Ursachenaufarbeitung und ggf. die Einbindung von Angehörigen. Ein Konzept für die Nachsorge kann in diesem Rahmen ebenfalls erstellt werden. So birgt der warme Entzug hohe Erfolgschancen.